Seien wir doch mal ehrlich. Wir wären wirklich naiv, wenn wir dächten, all das hier würde so gar nichts mit uns machen. Nicht die beschlossenen und peu à peu eingeführten Einschränkungen im Alltag, nicht der veränderte Umgang miteinander ohne Händeschütteln, ohne Drücken, nicht die verrückten leeren Regale und erst recht nicht die Fallzahlen des RKI.
Jeder “Fall” ist schließlich ein Mensch, mit einer Seele, mit Wünschen und Hoffnungen, mit liebenden, sich sorgenden Verwandten und Freunden um sich.
Doch ich will hier und jetzt nicht über Leben & Tod philosophieren. Zugleich sind die oben genannten Themen präsent. 7/24. Always – ähm, nein, ich meine nicht die Hygieneartikel selbigen Namens, von denen man/frau derzeit nur noch maximal zwei Stück käuflich erwerben kann – zumindest gestern bei dm. Nein, ich meine IMMER. Diese Themen durchdringen gerade jede Pore unseres Alltags, sind in den Nachrichten beherrschendes Thema, aus den Gesprächen – vorzugsweise am Telefon oder per Chat, wegen der 1,5m Abstand – nicht mehr wegzudenken.
Ja, Corona treibt bisweilen kuriose Blüten in Form von Fotomontagen oder kleinen Videosequenzen, die im Netz fleißig verteilt werden. Zum Glück können wir zumeist darüber schmunzeln und manchmal sogar herzhaft lachen… Aber habt Ihr schon jemandem mit Mundschutz gegenüber gesessen, konntet keine Mimik im Gesicht ablesen und habt Euch dabei unablässig gefragt, was für ein Film hier eigentlich läuft, ohne dass Euch jemand gefragt hat, ob Ihr ihn überhaupt schauen wollt?
Es geht uns gut. Wir halten uns tapfer. Es könnte schlimmer sein. Ängste sind da, aber halten sich noch dezent im Hintergrund. Anderen gehts wirklich schlecht … Ich persönlich versuche, trotz HomeOffice, trotz geschlossener Schulen, Spielplätze, Universitäten, Hochschulen und Geschäfte, mir eine gewisse Routine aufzuerlegen.
Der Wecker klingelt wie immer: zwischen 6 und 7 Uhr. Der Gatte ist im Büro unabkömmlich und düst demzufolge mit dem Rad durchs morgendliche Berlin, während ich in die Sportklamotten schlüpfe und TÄGLICH meine 5km schrubbe – mal walkender, mal joggender Weise.
Mit jedem gelaufenen Kilometer steigt zwar mein Fitnesslevel, doch leider sinkt die Zahl auf der Waage nicht im gleichen Maße … Sowieso hege ich da den leisen Verdacht, dass sich mein Körper aufbäumt gegen soviel Sport, gegen soviel zu Hause sein.
Ich genieße neu entstandene Nähe trotz einzuhaltender Entfernungen. Menschen, mit denen ich sonst weniger Kontakt hatte, weil Zeit oder Muße fehlen, melden sich plötzlich, machen sich Sorgen, werden wieder wichtig. Es entstehen sogar neue Teams, wie meine Telegram-Gruppe der “Homeworkerinnen”, die mir täglich ein Lächeln ins Gesicht zaubern, obwohl wir uns gerade erst vor kurzem auf einer der letzten Vor-Corona-Birthday-Partys zufällig begegneten und kennenlernten.
Oder die Videochats mit den KollegInnen – während derer wir ungeschminkt und hungrig durch unsere Wohnungen tigern und stolz berichten, was möglicherweise alles schon blitzblank geputzt worden ist. Doch werden all unsere schönen Pläne vom gemeinsamen oder einsamen Kochen, Backen, Nähen, Basteln oder Bloggen – für die jetzt mehr Zeit denn je wäre – nun auf der ewigen to-do-list bleiben? Einfach, weil am Ende des Tages die Energie fehlt?
Das alles hier wird uns noch viel Kraft kosten und leider nicht nur Kraft… Zugleich wünsche ich mir, dass sich der frühmorgendliche Frost – so schön seine Kristalle auch glitzert und ich liebe GLITZER – sich nicht um unsere Herzen legen möge.
Im Wetterbericht nennt man den aktuellen Kälteeinbruch “Schwedenschelle”. Doch sie wird den Frühling nicht aufhalten – nur unterbrechen.