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Noch so eine Corona-Geschichte

Mal ehrlich, wer würde sich ernsthaft – in meinem Alter – drei Stunden somewhere in Berlin anstellen, um …

… nein, nicht wie vor noch ein paar Jahren, das neueste Telefon einer gewissen Obst-Marke zu ergattern,

… nein, nicht um in ein Flugzeug (Was ist das noch gleich ? Ah ja, dieses Ding mit Flügeln, dass dich in ein paar Stunden um den Erdball bringt …) zu steigen,

… nein, nicht um in der ersten Reihe eines hippen Konzerts stehen zu können (Ja, Konzerte, das waren DIE Veranstaltungen mit seeeeeeehr vielen Menschen, die auf die gleiche Musik abfahren),

sondern einfach … nun ja … ganz einfach … um in einen CLUB zu kommen.

Hättest du nicht gedacht, oder? Oh doch! Krass. Hätte ich auch ehrlich nicht erwartet mit 2 G und so. Plan war, lass uns mal wieder tanzen gehen und hey, gechillt kurz nach 10 p.m. losdüsen, die machen ja erst ab Neune auf …
So weit, so gut. Wir fahren vor und … ganz ehrlich? Da stehen gefühlt 500 oder vielleicht mehr Leute und hey, es ist echt kalt!

Egal. Ich will da rein. Punkt. Ich hüpfe also wie ein – nicht mehr taufrisches, aber optisch noch recht junges – Reh aus dem Auto und überlasse den anderen die Parkplatzsuche. Brav reihe ich mich ein. Vor mir ein gemischter Trupp, nach mir ein Paar aus München (wie ich im Laufe der kommenden drei Stunden erfahren sollte) und dahinter – nun, eine Gruppe überaus lustiger, überaus lauter, überaus junger und schon ziemlich angetrunkener Touristen aus Übersee, die im weiteren Verlauf der Szenerie für ordentlich Unterhaltung sorgen werden.

Die Parkplatzsuche verläuft erfolgreich und endlich muss Madame nicht mehr allein frieren, denn ja … es ist noch immer kalt. Man kommt ins Gespräch mit Frau und Mann hinter uns. Sie wohnen im Hotel ums Eck – praktisch, denn irgendwann muss man vielleicht mal. Die Amerikaner hinter uns spielen “The Voice”, würden wohl aber eher keinen Button damit erreichen. Die Schlange schiebt sich unendlich langsam und nur fast unmerklich vorwärts. Kann mal jemand bitte Kreidestriche auf dem Boden machen?

Nach der ersten Stunde denken wir kurz ans Aufgeben – zum Glück nicht gleichzeitig, sodass wir uns gegenseitig weiter motivieren können. Hey, soooooo weit ist es doch nicht mehr, maximal noch zwei Stunden ab hier. WHAT? Komm schon, ich will da rein. Okay. Hätte mal besser was zum Abend gegessen. Naja. Konnte ja keiner wissen … oder vielleicht doch? So nach, mitten in, vor Corona ? Könnte noch einen Döner oder Pommes haben. Nee, lass mal …

Um Mitternacht – wir haben die halbe Strecke geschafft – schieben sich plötzlich mindestens acht weitere zarte Gestalten im (wirklich noch angesagten???) Achtzigerjahrelook vor uns in die Reihe zu ihrem bisherigen Platzhalter. Die Toleranzgrenze ist inzwischen echt gesunken, doch meine Kraft zur Intervention reicht nur noch zu einem milden englischen Gepöbel, von wegen: Alle warten hier, wo wart denn ihr ???

Als die “Tür” endlich in Sichtweite kommt, wird auch klar, warum das hier einfach nicht schneller gehen KANN. Die beiden freundlichen Herren am Einlass gewähren immer wieder Tanzwütigen den Vortritt, die offenbar auf einer imaginären Gästeliste stehen. Gibt’s die und wenn ja, wie kommt Mann oder Frau da rauf ??? Mit dem Rest der frierenden Menge werden höfliche Einzelgespräche geführt über den Impfstatus, die Luca-App-Nutzung und nicht zuletzt über das Outfit. Rechnet man also grob nur kurze drei Minuten Diskussion pro Person vor DER Tür, wird deutlich, wie lange wir noch brauchen werden.

Halb zwei. Endlich im Club. Endlich warm. Endlich Tanzen. Und jap, da bleiben wir doch gleich mal bis zum Morgengrauen. Denn wer weiß schon genau, wie lange das überhaupt noch geht und ob wir uns noch einmal drei Stunden Kälteschlangenwartemarathon antun werden. Ich schon 😉

Aber schön war’s. Sehr schön.

Published inKolumne
et Claire