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Shakespeare-Projekt

Jeanette Winterson
“Der weite Raum der Zeit”
  • Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
  • Verlag: Albrecht Knaus Verlag (11. April 2016)
  • Aus dem Englischen von Sabine Schwenk

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel “Cap of Time” bei Hogarth, einem Imprint der Penguin Random House Group, London und ist Teil der Reihe HOGARTH SHAKESPEARE bei KNAUS

Blinde Eifersucht und zerstörerischer Zorn – doch die Zeit heilt alle Wunden

Der Londoner Investmentbanker Leo verdächtigt seine schwangere Frau MiMi, ihn mit seinem Jugendfreund Xeno zu betrügen. In rasender Eifersucht und blind gegenüber allen gegenteiligen Beweisen verstößt er MiMi und seine neugeborene Tochter Perdita. Durch einen glücklichen Zufall findet der Barpianist Shep das Baby und nimmt es mit nach Hause. Jahre später verliebt sich das Mädchen in einen jungen Mann – Xenos einzigen Sohn. Zusammen machen sie sich auf, das Rätsel ihrer Herkunft zu lösen und alte Wunden zu heilen, damit der Bann der Vergangenheit endlich gebrochen wird.

MEINE REZENSION

William Shakespeare, der wohl bekannteste Dramatiker der Geschichte, ist 2016 vor genau 400 Jahren gestorben. Dieses Jubiläum nahm der Hogarth Verlag zum Anlass, ein ganz besonderes Projekt ins Leben zu rufen. Bekannte und erfolgreiche Autoren schreiben einige der bekanntesten Werke Shakespeares in einer modernen Interpretation neu. Der Knaus Verlag holte dieses Projekt auch nach Deutschland.

Mareike & Maike von herzpotenzial.com begleiten das Shakespeare-Projekt, lesen abwechselnd die Bücher und wollen mit zusätzlichen Aktionen & Materialen andere Leser in die Welt des großen Meisters entführen.

Einer solchen charmanten Einladung konnte ich als Shakespeare-Liebhaberin natürlich nicht widerstehen und schnappte mir gleich eine dieser Neufassung – “Der weite Raum der Zeit” von Jeanette Winterson – trotz meines immensen SbB’s (= Stapel ungelesener Bücher). Und: ich sollte nicht enttäuscht werden.

Dieser Roman hier war von Beginn an anders. Wow. Ganz anders. Heftig anders. Krass. Schockierend sogar.
Aber zurück auf Start!

Das Cover – hmm, eher unspektakulär, zurückhaltend, dezent, hätte mich nicht wirklich zum Kauf animiert. Die Titel – oh je, den konnte ich mir während der ganzen Zeit der Lektüre nicht merken. Warum eigentlich nicht? Die Autorin greift die Symbolik des Satzes immer wieder auf. Vielleicht ist er einfach zu abstrakt gewählt?

Zum Einstieg wird ein kleiner Einblick in die Handlung des Romans gewährt und die Autorin vorgestellt – eine typische Klappe also. Dann kommt Mr Shakespeare ins Spiel und betritt die Bühne. Tadaaaa.

Das Original wird vorgestellt. Thema der Neufassung von Mrs Winterson ist das Theaterstück “Das Wintermärchen” oder “The Winter’s Tale” von William Shakespeare, das vermutlich um 1610 entstand und die Geschichte eines vor Eifersucht blinden, rasenden Königs Leontes ist. Der Leser erfährt in aller Kürze die ganze Geschichte um König Polixenes und seinen Freund Leontes, dessen Frau Hermione, dem Diener Camillo, vielen weiteren Beteiligten sowie natürlich Perdita – die kleine verlorene Tochter.

Jeder dieser Gestalten haucht Jeanette Winterson neues Leben ein und überträgt die 400 Jahre alte Story ins heutige London, Paris und die Vereinigten Staaten. MiMi ist die Frau von Leo, der sie beschuldigt, eine Affäre mit seinem Schulfreund Xeno zu haben. Die Charaktere werden wunderbar mit Buchstaben gezeichnet, ungefragt erhält der Leser Einblick in die Abgründe der Seele der Protagonisten. Es gibt einige Zeitsprünge und der Knoten löst sich nur ganz langsam. Denn obwohl ich die Geschichte nun kannte, war es spannend die Entwicklung des Romans in der Gegenwart zu beobachten. Wird es der Autorin gelingen, das Verhalten der Charaktere glaubwürdig zu transportieren und dabei dem Original so treu wie möglich zu bleiben? Für mich ist es gelungen. Die Geschichte um Perdita ist rund und in sich schlüssig und vor allem niemals langweilig.

Wer Shakespeare liebt und offen für Neues ist, sollte sich diesen Roman nicht entgehen lassen. Ich werde mir die anderen Teile des Projekts auf jeden Fall näher ansehen 🙂
Und hier ein paar Zitate als Appetit-Häppchen:

“…und dann war Nacht, und nichts war anders geworden, weil alles anders war.” S.12

“Yogi Bär isst Erdnussbutter-Sandwiches” S.156

“Wir können’s nicht, weil wir’s nicht tun, und wir tuns’s nicht, weil wir’s nicht können.” S.210

“Das viele Nichts ist nichts. Und der Himmel ist nichts, die Erde ist nichts, ich bin nichts, Liebe ist nichts, Verlust ist nichts.” S.232

“…und was ist Erinnerung, wenn nicht ein Seil, das die Zeit überspannt?” S.269

5 von 5 Sternen für eine großartige Idee die wortgewandt mit viel Esprit umgesetzt wurde.

Published inKolumneRezensionen
et Claire