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… oder besser nicht?

Irgendwann werden wir uns alles erzählen
Daniela Krien
  • Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
  • Verlag: Graf Verlag (16. September 2011)
  • ISBN-10: 3862200191

Sommer 1990, ein Bauerndorf nahe der deutsch-deutschen Grenze, die gerade keine mehr ist. In ihrem literarischen Debüt schildert Daniela Krien eine Liebesgeschichte von archaischer Wucht, die Zeitgeschehen und Existentielles auf zwingende Weise miteinander verschränkt.

Es ist Sommer, heißer, herrlicher Sommer. Der Hof ist ein Dreiseithof. Schaut man geradeaus, sieht man eingezäunte Wiesen und den Bahndamm, und hinter den Schienen, in einiger Entfernung, doch klar erkennbar: den Henner-Hof.

Maria wird bald siebzehn, sie wohnt mit Johannes auf dem Hof seiner Eltern, in den „Spinnenzimmern“ unterm Dach. Sie ist zart und verträumt, verkriecht sich lieber mit den „Brüdern Karamasow“ als in die Schule zu gehen. Auf dem Nachbarhof lebt der vierzigjährige Henner, allein. Die Leute aus dem Dorf sind argwöhnisch: Eine Tragik, die mit seiner Vergangenheit zu tun hat, umgibt ihn; gleichzeitig ist er ein Mann, dessen charismatische Ausstrahlung Eifersucht erregt. Ein zufälliger Blick eines Tages, eine zufällige Berührung an einem andern lösen in Maria eine Sehnsucht aus, die fremd und übermächtig ist und sie daher wie von höherer Gewalt geleitet in Henners Haus und in seine Arme treibt…

Die sommerlichen Weizenfelder, die vom Heu und den Mückenstichen juckenden Beine, das Summen des Kühlschranks in der Küche… Eine allgegenwärtige Sinnlichkeit beherrscht diesen intensiven Text, der eine ländliche, ebenso schöne wie düstere Welt entstehen lässt und einen Sog entwickelt, der bis zum dramatischen Ende alles mit sich reißt.

MEINE REZENSION

Vorweg; vom Hocker gerissen hat mich der Roman leider nicht, obwohl er für den Amazon-Autorenpreis (für neue Talente) nominiert wurde. Er konnte mich überraschen, mich sogar dazu bewegen, ihn bis zum Ende zu lesen. Aber Lese-Fesseln legte er mir keine an.

Warum “überraschen”?
Da ich ohne Vorwissen, um unbefangen lesen zu können, in den Roman einstieg , war ich zunächst enttäuscht – och nö, nicht wieder die 1989/1990-Wendemasche, hatte ich mich doch vor nicht allzu langer Zeit gerade durch “Luckenwalde” und die freien Bananen geackert. Doch die Enttäuschung wich schnell einer angenehmen Überraschung. Die Wende war Thema, ohne Thema zu sein und widerspiegelte sich nur in den verschiedensten, sie auslösenden Gefühlen der Beteiligten sowie Schauplätzen.

Warum “ausgelesen”?
Nun ja, ich gab dem Roman die Chance, sich zu erklären; mir zu zeigen, wohin die Reise geht. Der Stil tat sein übriges; es las sich weich und angenehm.

Keine “Lese-Fesseln” und auf’m Hocker geblieben?
Die Chance, sich zu erklären und mich auf eine Reise mitzunehmen, hat der Roman bei mir verpasst. Ich sehe keine Entwicklung bei Maria, bei allen anderen schon. Ich kann nicht mit ihr fühlen, leiden, weinen (Lachen kommt eher wenig bis gar nicht vor). Alles an ihr wirkt fremd, befremdlich auf mich. Auch Henner bleibt äußerlich farblos, sein Haus und Hof hingegen werden detailverliebt beschrieben. Allerdings empfinde ich für ihn immerhin etwas wie Ekel, Mitleid, Wut.

Was treibt Maria an und immer weiter in seine Arme? Ist es Hörigkeit, die sie mit ihren 16/17 Jahren mit Liebe verwechselt? Ist es der fehlende Vater, den sie in Henner auf eine andere Art und Weise findet? Was erwartet sie sich von ihrem Leben? Nicht mehr als Bücher, Sex und Haushalt führen? Bis auf die beiden Alten, Frieda und Alfred, entwickeln sich alle Protagonisten im Laufe des Romans, selbst Marias Mutter; alle, außer Henner und Maria. Diese beiden scheinen die Zeit anhalten zu wollen. Das Leben jedoch kennt keine Haltestelle, außer einer…

Ein Fazit fällt mir schwer. Seit Ewigkeiten hatte ich schon nicht mehr so gar kein Gefühl nach dem Auslesen. Hier tat sich eine Leere auf, die all die vielen, wohl geformten Worte und Bilder der Autorin nicht mit Leben hatte füllen können.

Schade.

Published inKolumneRezensionen
et Claire