“Die Badende von Moritzburg”
Ralf GüntHer
- Gebundene Ausgabe: 112 Seiten
- Verlag: Kindler/Rowohlt
- Auflage: 1 (19. Mai 2017)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3463406861
- ISBN-13: 978-3463406862
- Größe und/oder Gewicht: 13 x 1,2 x 21 cm
Eine Novelle wie ein flirrender Sommertag: Über eine unvergessliche Begegnung mit dem Maler Ernst Ludwig Kirchner und dem Künstlerkreis «Die Brücke».
1910. Die junge Clara Schimmelpfenninck wird wegen hysterischer Atemnot ins Dresdner Lahmann-Sanatorium auf dem “Weißen Hirschen” geschickt. Nach sechs Wochen ist sie symptomfrei, aber zu Tode gelangweilt. Da wird sie zu einem Ausflug ins nahe Moritzburg eingeladen.
Im Sommerkleid streift sie durch die herrliche Schilflandschaft. Prompt wird sie von einem Mann mit fein geschnittenem Gesicht und energischer Stimme angesprochen. Ob sie sich nicht zu ihm, Kirchner, und seinen Freunden gesellen möge. Die Männer und Frauen picknicken dort, trinken Wein und arbeiten an ihren Staffeleien – in einer Art und Weise, wie Clara es noch nie erlebt hat. Und so verbringt sie einen unvergesslichen Sommertag in der Künstlerkolonie “Die Brücke”.
MEINE REZENSION
Passend zu einem unvergesslichen Event in Form einer Kostümführung durch das Schloss Moritzburg am 14. Mai dieses Jahres erhielt ich nur wenige Tage zuvor den kleinen Roman “Die Badende von Moritzburg” vom Rowohlt Verlag übersandt. Vielen Dank für das Rezensionsexemplar.
Nun nach diesem Sonntag auf dem Märchenschloss von “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel” konnte die Lektüre endlich beginnen. Und schon nach wenigen Seiten nahmen mich Handlung und Sprache dieser Sommernovelle gleichermaßen für sich ein.
Wir begleiten die junge Clara Schimmelpfenninck während ihres Aufenthaltes im Dresdner Lehmann-Sanatorium und schreiben das Jahr 1910. Die industrielle Revolution ist weit fortgeschritten, die Städter entfremden sich von der Natürlichkeit. Die Frauen tragen neben den obligatorischen Schirmen noch immer Korsetts und viele Lagen Stoff … Im Sanatorium erfährt die junge Frau eine Hinwendung zur Natur, Sonnen- und Luftbaden sowie eine gesunde, fleischarme Kost eingeschlossen. Sie macht Bekanntschaft mit dem jungen Vertretungsarzt Dr. Maximilian Brandstetter und durch ihn mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds. Doch das ist längst nicht alles. Durch den ambitionierten Mediziner, der seiner Zeit voraus zu sein scheint, begibt sich Clara auf neue Wege, verlässt heimlich das gut behütete Kurgelände, um nach Moritzburg, vor den Toren Dresdens, zu reisen.
Ein Tag, eine Nacht, die das Leben der jungen Dame aus gutem Hause für immer verändern sollten. Statt sich, wie verabredet, mit ihrem Arzt zu weiteren therapeutischen Gesprächen zu treffen, durchstreift sie gut beschirmt auf eigene Faust die Gegend um das Schloss Moritzburg. Dabei trifft sie nicht nur auf kühlendes Seewasser, sondern auch auf eine Gruppe Maler um Kirchner. Eine Begegnung der besonderen Art entspinnt sich – mit allerhand Verwicklungen und Konsequenzen, nicht nur für Clara Schimmelpfenninck.
Ich möchte nicht spoilern, sondern jeder/m mit Interesse am Leben um die Jahrhundertwende diesen kleinen Roman ans Herz legen. Mich hat er verzaubert und sehr angerührt. Gern hätte ich noch länger der Geschichte gelauscht, erfahren wie es Clara nach ihrer Rückkehr in die Großstadt ergehen würde. Doch die Sommernovelle war bereits zu Ende.
Erst nach der Lektüre interessierte ich mich dafür, wer diese feingeistige Geschichte wohl verfasst haben mag. Stammte sie gar aus der damaligen Zeit? Nein? Was – ein Mann ist der Autor dieser Romanze, die keine ist, dieses kleinen Entwicklungsromans? Jap.
Ralf Günther
1967 in Köln geboren, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Er ist Schriftsteller und Drehbuchautor, entwickelte Serien für das ZDF und den KiKA und schrieb viele erfolgreiche historische Romane, darunter den Bestseller «Der Leibarzt» (Heyne 2001). Bei rororo sind die unterhaltenden Weihnachtstitel «Ach du fröhliche» (2011) und «Jesusmariaundjosef!» (2013) erschienen, bei Kindler «Das Weihnachtsmarktwunder» (2014). Der Autor lebt bei Dresden.
Ralf Günther gelingt es tatsächlich, Claras Empfindungen, ihre Zweifel und Sehnsüchte greifbar zu machen. Ich fühlte mich der jungen Frau ganz nah und doch gleichzeitig wie eine heimliche Beobachterin der Szenerie. Es gäbe sicher Potential, aus dem Stoff einen großen Roman zu machen und einiges ausführlicher, tiefgründiger zu beleuchten. Daher gebe ich diesem wunderbar gestalteten Büchlein von Herzen 4,5 Sterne von 5. Eben ganz nah dran…