VALÉRIE TONG CUONG
“Der Tag, als wir die Welt drehten”
- Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
- Verlag: Thiele Verlag GmbH (16. Februar 2015)
- Sprache: Deutsch
- Übersetzung von Doris Heinemann
- ISBN-10: 385179253X
- Originaltitel: Providence
Marylou, Sekretärin und alleinerziehende Mutter, ist mit einem Stapel Kopien zu einem wichtigen Meeting unterwegs, als plötzlich die Metro still steht. Die junge Frau ist verzweifelt, doch dieser Unglücksfall bewahrt sie vor dem Tod: Auf das Gebäude ihrer Firma wird ein Anschlag verübt – und Marylou ist dank ihrer Verspätung die einzige Überlebende.
In der Notaufnahme trifft sie auf den Filmproduzenten Tom, der auf dem Weg zu seiner kapriziösen Geliebten schlimm gestürzt ist, weil ihm ein Hund ins Fahrrad lief. Der Hund gehört Clara, einer Juristin, doch diese kämpft mit einer plötzlichen Allergie auf ein Veilchen-Macaron – das ihr in der Patisserie freundlicherweise ein älterer Herr überließ.
Der ältere Herr ist der schwerkranke Albert, der an diesem Tag wegen des Personenschadens in der Metro das Taxi nimmt, um bei seinem Notar die letzten Dinge zu regeln. Er kommt ein paar Minuten zu früh und wird so Zeuge eines Gesprächs, das sein ganzes Leben umkrempelt.
Und die schüchterne Prudence, eine Rechtsanwältin, die an diesem Tag ihre wegen einer Allergie in der Notaufnahme sitzende Chefin vertreten darf, entdeckt hochexplosive Unterlagen – eben jene, die Marylou für das Meeting kopieren sollte …
MEINE REZENSION
Wow. Was für ein erstaunlicher kleiner Roman von VALÉRIE TONG CUONG.
Das Cover finde ich einfach nur schön! Zarte Farben unterstreichen das Outfit der hübschen Frau in der Mitte. Mag es Marylou sein? Toller Mantel, süsse Bag und die Schuhe erst… Sweet. Sie macht Pause. Wovon? Pause vom Alltag? Pause vom Job? Denkt sie nach? Träumt sie vielleicht? Einfach so. Mitten auf einem Platz. Irgendwo. Und neben ihr? Zunächst dachte ich an ein Himmelstor – nur ein kleiner Schritt, dem Himmel so nah… Aber es ist wohl doch eher ein Brunnen mit dem sich darin spiegelnden Himmel.
Wie von Zauberhand gelingt es der Autorin mit gekonnter französischer Leichtigkeit die vom Schicksal dieses Moments, dieses einen Tages gezeichneten Lebenswege der verschiedenen Protagonisten miteinander zu verweben. Manchmal fürchtete ich, nicht Schritt halten zu können mit all den Handlungssträngen und den Faden zu verlieren. Doch just immer im richtigen Moment lichtete sich das Dunkel und der Knoten entwirrte sich – um sich im nächsten Augenblick wieder zu verstricken. Jede der Figuren schloß ich in mein kleines Leserherz, Marylou mit ihrem wunderbaren Paulo, den weltgewandten Tom und die empfindsame Aline, den alten Herrn Albert und die zweifelnde Prudence sowie Charlie. Von allen erfährt der Leser nicht nur diesen einen, alles verändernden Tag, sondern auch die dahinterstehende Lebensgeschichte.
Dabei schöpft Valérie Tong Cuong aus dem Repertoire der Literatur. Da werden Philosophen zitiert, deftige Szenen skizziert und Gedanken bildhaft gemalt. Beeindruckend, gewaltig, abgründig und liebevoll. Nichts, was die Autorin auslassen würde. Liebe, Verrat, Krankheit, Verlust, Tod, Angst, Scham, Reue, Erkenntnisse – von allem etwas und in der Summe ein perfektes literarisches Menü.
Das Ende ist von fast übernatürlicher Schönheit und Empathie, ohne dabei kitschig zu werden. Insgesamt erwartet den Leser ein kleiner, aber unglaublich feiner Roman über das Schicksal, über Entscheidungen und Wendungen des Lebens – kurz: eine eigene kleine Welt voller Wunder, die sich für einen winzigen Moment anders herum zu drehen scheint, vor allem dank – merci – Charlie.
5 Sterne für eine absolut lesens- und liebenswerte Lektüre. Merci, Valérie.