Das Bild aus meinem Traum
Antoine Laurain
- Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
- Verlag: Atlantik (14. Oktober 2016)
- Sprache: Deutsch
Maître Pierre-François Chaumont, ein brillanter Pariser Anwalt, ist leidenschaftlicher Kunstsammler und lässt sich keine Auktion entgehen. Von einem alten Ölgemälde kann er eines Tages den Blick nicht mehr abwenden: Der dargestellte Mann mit gepuderter Perücke ähnelt ihm wie sein Spiegelbild! Das Porträt soll seine Sammlung krönen und er ersteigert es, aber schon bald wandelt sich das Glücksgefühl in Paranoia, denn Pierre-François fürchtet, verrückt geworden zu sein: Niemand seiner Familie oder Freunde sieht die frappierende Ähnlichkeit.
Mithilfe des Wappens findet er jedoch die Familie des Porträtierten – ein altes Adelsgeschlecht, das seit Jahrhunderten auf Schloss Mandragore in der Bourgogne lebt. Heimlich reist Pierre-François dorthin und erlebt eine weitere Überraschung: Jeder scheint ihn zu kennen! Man hält ihn für den seit Jahrzehnten verschollenen Grafen, und Pierre-François belässt es dabei – er kann der Versuchung nicht widerstehen, einfach eine neue Identität anzunehmen und ein neues Leben anzufangen … Antoine Laurain erzählt in seinem Debüt von der Suche nach Identität, sich selbst und dem Glück, und von der Faszination für schöne und alte Dinge, die ihre eigenen Geschichten haben.
MEINE REZENSION
Ein wenig ratlos und einigermaßen verwirrt ließ mich der Roman gestern zurück. Was genau will Antoine Kaurain, von dem ich vor kurzem bereits begeistert “Liebe mit zwei Unbekannten” gelesen habe, mir mit seinem kleinen Roman sagen. Mal davon abgesehen, dass ich natürlich wieder einmal – ohne es zu wollen – mit Haut und Haaren seinem französischen Charme erlegen bin. Es ist diese feine, pointierte Note, die mein Leserherzchen dahinschmelzen lässt.
Wir lernen Antoine Laurains Protagonisten Pierre-François Chaumont kennen und begleiten ihn bei seiner Gradwanderung in ein völlig neues Leben, eine neue Identität. Hier wird auf knappen zweihundert Seiten ein ganzes Leben aufgefächert. Vom kleinen Pierre-François mit seinem gepuderten und geschminktem Onkel über seine Obsession des Sammelns (der Radiergummifall) weiter durch das Jura-Studium und seine Ehe. Gibt es dieses Adelsgeschlecht der Mandragores tatsächlich? Ist es vielleicht nur der Phantasie des Patentanwalts entsprungen? Flüchtet er sich in diese neue Identität? Eine Flucht ist es allemal, denn Pierre-François lässt alles – bis auf seine heilige Sammlung antiker Gegenstände – hinter sich. Er manipuliert, er schwindelt ein bisschen und er schweigt. Gut, den umfangreichen Ausführungen zur Wappengeschichte über Wurzeln, Schwerter und einer aufstrebenden, bezungten, rotkralligen, rabenschwarzen Katze hätte ich mich ohne den Esprit seiner Worte eher widerwillig gewidmet. Aber offenbar: wieder etwas gelernt. Das heiße, sich um die Geschichte spannende, Blechdach sollte auch noch eine tragende Rolle bekommen – wenn auch so richtig erst gen Ende.
‚Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt‘, könnte man meinen. Doch am Ende scheinen alle überaus zufrieden mit dem Ergebnis. Pierre-François Chaumont resp. Aimée-Charles de Rivaille, Mélaine – die Frau aus seinen Träumen, Charlotte, sein Ex-Kanzlei-Partner und natürlich alle Bewohner des Dorfes ….
Eine Message? Nun. Pierre-François glaubt an das, was er sieht und spürt. Er gehört nicht hierher, nicht in dieses Leben. Deshalb folgt er dieser Spur unaufhaltsam. Und er sieht offenbar nicht nur mit seinen Augen, sondern auch – à la Monsieur Antoine Marie Jean-Baptiste Roger Vicomte de Saint-Exupéry – mit dem Herzen, während alle anderen um ihn herum die Augen vor der Wahrheit verschließen oder einer Verschwörung gleich, ihm die Entdeckung seines Selbst nicht gönnen.
Doch ist es wirklich so einfach, in das Leben eines anderen einzutauchen? Ist es möglich, alle Brücken hinter sich abzubrechen und selbst für die Polizei unauffindbar zu bleiben? Verschluckt von der Realität? Ein modernes Märchen wird hier erzählt, dem ich nur allzu gerne Glauben schenken möchte. In kurzen Kapiteln und sprachlich wieder einmal auf hohem Niveau lädt der Text zwischendurch auch mal zum Schmunzeln ein.
So richtig, richtig schlau bin ich (noch) nicht aus diesem Büchlein geworden. Vielleicht vergebe ich aus diesem Grund „nur“ 4 von 5 Sternen für eine unterhaltsame, kurzweilige Story mit ganz viel französischen Charme.
Das wäre doch eigentlich eine überaus nette Filmvorlage!