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Kalter Fleischpapp

Die Störrische Braut
Anne Tyler

  • Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
  • Verlag: Albrecht Knaus Verlag (11. Oktober 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 381350655X
  • ISBN-13: 978-3813506556
  • Originaltitel: Vinegar Girl

Kate Battista ist frustriert. Wie kommt es eigentlich, dass sie ihrem exzentrischen Vater brav den Haushalt führt und sich um ihre jüngere Schwester Bunny kümmert, die nur Flausen im Kopf hat? Auch in ihrem Kindergartenjob gibt es immer nur Ärger. Professor Battista hat andere Sorgen. Seit Jahrzehnten widmet er sich beharrlich seiner Forschungsarbeit, nun steht er kurz vor dem Durchbruch. Wenn, ja wenn sein brillanter Assistent Pjotr nicht des Landes verwiesen wird. Die Aufenthaltsgenehmigung des Weißrussen läuft bald ab. Als Professor Battista einen Plan ausheckt, um Pjotr in Amerika zu halten, verlässt er sich wie immer auf seine ältere Tochter. Doch Kate sieht rot – und Pjotrs tollpatschiges Werben um ihre Gunst macht die Sache erst einmal auch nicht besser.

Eine herrlich turbulente Komödie um einen manipulativen Vater, eine sich heftig zur Wehr setzende Tochter und einen Bräutigam, in den sich die Braut wider Willen zu guter Letzt doch noch verliebt.

MEINE REZENSION

„Die störrische Braut“ oder die moderne Fassung von Shakespeares „Der widerspenstigen Zähmung“.

Kate Battista soll heiraten – auf Wunsch ihres verkopften Vaters, gegen ihren Willen und zwar Pjotr für dessen Greencard. Kate hat eine kleine – minderjährige Schwester, ganze vierzehn Jahre jünger sogar.

Kate führt den Haushalt der Familie Battista seitdem die Mutter starb und kocht allwöchentlich Fleischpapp mit und ohne Fleisch.

Kate liebt Trockenfleisch und arbeitet „hingebungsvoll“ als Erzieherin, nachdem sie aus ihrem Biologie-Studium flog wegen einer unangemessenen Äußerung. Doch Kate mag keine Kinder und auch nicht die Nonnen, die den Kindergarten leiten.

Kate ist eine einsame Wölfin mit Haaren bis zum Po. Punkt.

Dr. Battista denkt nur an seine Forschungen nebst Mäusen und überfährt Kate mit seinen Hochzeitsplänen, nur um seinen Assistenten Pjotr im Land zu halten. Seine große Tochter ist zutiefst verletzt, schockiert, entrüstet, beleidigt und ganz und gar nicht d’accord mit den Vorstellungen ihres Dads. Erstmalig steht ihre kleine Schwester auf ihrer Seite – doch nur kurz, dann dreht sich wieder alles um ihren Spanisch-Nachhilfelehrer in Form des zwanzigjährigen Nachbarsohnes. Es gibt strenge Regeln im Hause Battista – vorgefertigte Einkauflisten für den Fleischpapp, keine spontanen Shoppingtrips oder dergleichen. Die kleine Schwester darf nicht mit anderen im Auto fahren oder Besuch empfangen, wenn sie allein zu Hause ist. Ausnahmen gibt es nicht. Basta.

Plötzlich gerät alles durcheinander und aus den Fugen. Vater Battista erzählt von seiner verstorbenen Frau. Pjotr erscheint spontan zum Fleischpapp-Abendessen und irgendwann wird tatsächlich eine Hochzeit aus dem Boden gestampft, bei der dann alles anders läuft als geplant.

„Herrlich turbulent“? „Eine sich heftig zur Wehr setzende Tochter“? Kann ich so nicht unterschreiben. Ich fand den Roman zu keiner Zeit „herrlich turbulent“ und unter „heftig zur Wehr setzen“ verstehe ich etwas ganz anderes.

Die Wendung der Story am Ende war für mich schwer erträglich. Vielleicht weil die Handlung so gar nicht in mein Weltbild passen will. Aber das hätte das Original sicher auch nicht. Eine Frau, die sich letztlich dem Wunsch des Vaters beugt und sich in den – scheinbar aus einer anderen Welt stammenden – Fremden verliebt? Die Autorin Anne Tyler versucht dabei geschickt, die Gründe für Kates Entscheidung nicht in ihrer Loyalität zum Vater zu suchen, sondern in der Biografie der Braut selbst, ihrem Wunsch nach Aufmerksamkeit, Sicherheit, Veränderung – aber ist der Preis nicht etwas zu hoch? Warum wehrt sie sich gegen ihren Kollegen Adam? Warum traut sie sich so wenig zu? Warum wird sie erst wahr und für voll genommen, als sie ihre Hochzeit bekannt gibt? Liegt in der Wirkung dieser Offenbarung gar die Grundlage ihres weiteren Handelns. Ich lernte eine Frau kennen, die die letzten vierzehn Jahre offenbar wie in Trance lebte und plötzlich Entscheidungen trifft, die ihr Leben für immer verändern – doch wird sie glücklich werden? Das Ende mag ich nicht vorwegnehmen – lasst Euch überraschen.

“Ich glaube, ich nenne Sie Katja”, sagte er mit vollem Mund. Kate wollte nicht Katja genannt werden. S.89

Er lächelte, sah ihr fest in die Augen und sagte: “Küss mich, Katja.” S.217

Mich hat dieser erste Roman des Shakespeare-Projekts, jedoch in meiner Lektüre der zweite aus der Reihe, unzufrieden zurückgelassen. „Der weite Raum der Zeit“ hingegen konnte mich zutiefst berühren. Das schaffte “Die störrische Braut” leider nicht. Die Story fühlte sich für mich an wie kalter Fleischpapp. Schade, dennoch werde ich mich irgendwann auch an die anderen Shakespeare-Adaptionen aus der Reihe http://shakespeare-projekt.de/ wagen.

„Kiss me“ oder so? Och nö, eigentlich lieber nicht :/

Danke an die Verlagsgruppe Randomhouse für dieses Rezensionsexemplar.

Published inKolumneRezensionen
et Claire