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Eine Spinne


Es ist wieder einmal Artweek-Wochenende in Berlin. Seit Donnerstag und noch bis morgen, um genau zu sein. Wir lassen es uns seit mehreren Jahren nicht nehmen, Teil dieses Events zu sein. Damals haben wir unseren Flamingo von Doppeldenk erworben, der uns seit 3 Jahren täglich im Flur verabschiedet, wenn wir gehen und absolut relaxed begrüßt, wenn wir heimkommen:

Unser “Flago” von Doppeldenk

Göttergatte und ich düsen also gegen Mittag mit den Berliner Öffis nach Tempelhof, denn inzwischen findet die Artweek im Hangar 6 des ehemaligen Flughafens statt. Nach einem netten Fußmarsch bei wunderbarem Spätsommersonnenschein erreichen wir die Exposition. Wow, 22 EUR pro Person sind für eine Verkaufsmesse nun wirklich nicht wenig. Also vielleicht schauen wir zuerst doch mal bei der benachbarten PaperPositions im Hangar 4 für schlappe 12 EUR p.P. vorbei? Ja, es gäbe auch einen Shuttle – für Nicht-VIP-Gäste mit einem umgebauten Feuerwehr-LKW und nicht etwa mit einem der schönen E-Nobel-Cars. Naja. Da laufen wir doch lieber zu Fuß – ist ja nicht weit…. Ha, ha. Der war gut. Wir müssen komplett um die ehemalige Abflughalle steppen, denn Hangar 4 befindet sich fast gegenüber des Columbia-Theaters (zum Vergleich – Hangar 6 liegt gegenüber des LKA Berlin!).

Auf halber Strecke hält uns ein Paar an – er um die 70, sie vielleicht um die 25. Er – intellektueller Mäzen oder gar Künstler? Sie – Tochter oder Muse, man weiß es nicht. Jedenfalls fragen sie uns nach dem Weg zur ArtWeek und schimpfen über die schlechte Organisation. Offenbar kamen sie vom anderen Ende (Hangar 4), der PaperPostions, zu der sie nicht wollten.

Aber das ist noch nicht des Pudels Kern. Mitten im kurzen Gespräch sagt die junge, große, wunderschöne, dunkelhaarige Dame zu meinem Gatten: “Sie haben da ein Tier im Haar…”. Gatte struppelt sich kurz durchs kurze graue Haar…

Sie säuselt daraufhin zuckersüß, ein wenig verrucht – wie aus einem Film: “Nein, da ist eine Spinne. Darf ich … ” und streicht mit ihrer rechten Hand meinem Mann die, sich abseilende, Spinne aus dem Gesicht.

Wie jetzt? Welche Frau tut sowas? Eine Spinne? Hallo? Gehts noch? Finger weg von meinem Mann!

Doch ich stehe – einen Kopf kleiner und gefühlte 50 Jahre älter als sie – einfach nur sprachlos daneben. Jetzt fehlt nur noch, dass ihre Hand in seinen Nacken gleitet und sie ihm hier und jetzt einfach so, einfach weil sie es kann, einen Kuss gibt. Spätestens dann hätte ich mich nach versteckten Kameras umgeschaut. Doch da waren keine und der Kuss blieb – glücklicherweise? – auch aus. Nicht so in meinem Kopf. Solche Szenen gibt es nicht in real life! Sowas passiert nicht irgendwo in Berlin vor einem ausgedienten Flughafen an einem stinknormalen Samstag! Sowas passiert doch nicht uns! Ich schaue offenbar definitiv zu viele romantische Komödien.

Dieser Moment wird noch lange nachwirken. Spinne + Frau + Hand – in dieser Reihenfolge und so gar nicht zusammenpassend und dennoch erlebt. Das Wort “Spinne” wird wohl eine Weile anders besetzt sein… zumindest für mich. Für ihn auch?

Published inKolumne
et Claire