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Rosinen im Kopf?

61gc0uxqrplMeine wundervolle Buchhandlung
Petra Hartlieb

Petra Hartlieb folgt ihrem Herzen, kündigt von einem auf den anderen Tag ihren Job in Hamburg und beginnt ein neues Leben in Wien. Ohne zu wissen, worauf sie sich einlässt, erfüllt sie sich ihren langersehnten Traum: Sie lebt von nun an über einer Buchhandlung – ihrer eigenen. Ihr gemütliches und wohl sortiertes “Wohnzimmer” wird zum Treffpunkt für die eigene Familie und die Nachbarschaft. Poetisch erzählt sie von Begegnungen mit Menschen, der Leidenschaft zu Büchern und der Liebe zum Leben – weil sie nichts besser kann, weil sie nichts lieber tut.
Die gebürtige Wiener Schauspielerin Irene Kugler spricht Petra Hartliebs besondere Geschichte über den Lieblingsbuchladen um die Ecke mit viel Charme und Witz.
Das gleichnamige Buch ist im DuMont Buchverlag erschienen.

MEINE REZENSION

Ich weiß gar nicht mehr genau, wie ich auf dieses Werk gestoßen bin. Vielleicht bin ich bei meinen Recherchen nach Büchern zum Thema Buchladen darüber gestolpert? Fakt ist, der Titel machte mich neugierig, das Retro-Cover sprach mich an. Der Rest war schnell erledigt. Da ich ungern mehrere Werke parallel lese, lag die Lösung nahe, dieses Buch als Hörbuch zu konsumieren. Also ab in die Onleihe – siehe da, Audiofile verfügbar und ab damit in den Bibliothekskorb. Schon konnte das fröhliche morgendliche Streaming beginnen.

Irene Kugler spricht Petra Hartliebs Gedankenwelt in “Meine wundervolle Buchhandlung”. Darin berichtet Frau Hartlieb von ihrer irren Idee, eine Buchhandlung jott-we-de zu kaufen. Diese befindet sich nämlich ziemlich genau 1.100 km von ihrem Hamburger Wohnort entfernt irgendwo in Wien. Zu viele Rosinen im Kopf? Zu Petras Entschuldigung soll nicht unerwähnt bleiben, dass sie zwar mit ihrem Mann, der im Verlagswesen arbeitet, sowie pubertierendem Sohn und kleiner Tochter in Hamburg lebt, jedoch gebürtige Wienerin ist. Frau Hartlieb gehört der schreibenden Zunft an und führt ein beschauliches, komfortables, eingerichtetes Leben. Dann ergibt sich – wie aus dem Nichts – urplötzlich die verrückte Gelegenheit, für einen schmalen Taler, eine winzige, retro anmutende Buchhandlung irgendwo in Wien zu erwerben. In Lichtgeschwindigkeit jagten meine Gedanken auf der Erinnerungsautobahn nach Notting Hill und schon war ich verliebt – in den nächsten Buchladen. Ich sah ihn vor meinem geistigen Auge, während Frau Hartlieb den dunklen, staubigen Raum mit den alten, deckenhohen Regalen und auf Rollen gleitenden Leitern betrat.

Nein, ich möchte die Story hier nicht nacherzählen, aber jedem Buchladen-Romantiker ans Herz legen. Hier wird zwar erst nur geträumt, doch dann geklotzt und das mit ungeheurer Man- und Woman-Power. Da werden alle Steine einzeln beschrieben, die auf dem Weg zu den verlockenden Sternen am Bücherhimmel liegen. Und es sind viele Steine, sehr viele: angefangen von Wohnungsproblemen während der Umbaumaßnahmen, über Kindergarten- und Schulproblemen, weiter zu Personalpolitik und technischem Nirvana. Wo ein Problem gelöst scheint, tun sich mindestens zwei neue auf, wie die Köpfe einer Hydra. Es wird nichts schön geredet, aber der Hörer/Leser spürt in jedem Absatz den unbedingten Willen der Hartliebs, ihren Traum wahrmachen zu wollen. Sie verlassen ihre unterkühlte Hamburger Komfortzone und taumeln lange Zeit am Abgrund, am familiären sowie finanziellen. Und doch verliert diese Familie, allen voran Mama Petra, nicht den Mut, es tatsächlich anzugehen. Dabei weiß sie sich selbstbewußt ihrer Kontakte in der Bücherbranche zu bedienen. Immer kennt sie jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt. Das mag ungewöhnlich anmuten, jedoch steht ausser Frage, dass nur wer fragt, auch Hilfe bekommen kann und wird. Dafür ist sich Frau Hartlieb nicht zu schade. Sie fragt. Nimmt Hilfe an. Sie probiert. Sie rappelt sich immer wieder auf und erhält Unterstützung von Radiologen, Buchhändlern, Ex-Freunden, Nachbarn und natürlich ihrem Ehemann, der für ihren gemeinsamen Traum seinen sicheren Verlagsjob kündigt. Wow. Respekt oder Wahnsinn?

Ich für meinen Teil habe mit den Hartliebs gelitten, gelacht und gestaunt. Ja, fast ungläubig gestaunt, was hier wahr wird, in Zeiten des gelben Riesens und Ebooks allerorten. Diese Frau schafft Räume zum Träumen, Räume für Buchverliebte und Ottonormalos. Und hey: ganz nebenbei schreibt sie auch noch erfolgreich Krimis??? Okay, das war jetzt fast zu viel des Guten. Das musste ich erstmal verdauen. Punkt.
Und jetzt gehe ich dem prickelnden Wohlgefühl in meinem Bauch auf den Grund, jobbe am kommenden Samstag einfach mal im kleinen Buchladen um die Ecke und schaue bei dieser Gelegenheit gleich mal nach den Rosinen in meinem Kopf 🙂

Published inKolumneRezensionen
et Claire