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Lesen und lesen lassen

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19:30 Uhr. Dunkel. Regen. Brrr.

Tiefstes Friedrichshain. Wühlischstraße rauf oder runter, je nach Betrachtungsweise eben – ah: ein hell erleuchteter Laden. Das muss es sein, das „Lesen und lesen lassen“. Ich schaue durch die Auslagen hindurch ins Innere. Hmm. Sieht gemütlich aus, weiße Klappbestuhlung mit weichen Kissen vor dunkel gebeizten Bücherregalen. Personal wuselt hinter dem Verkaufstresen, wirft nervöse Blicke gen Tür. Noch niemand da. Bin ich wirklich der erste Gast? Soll ich schon hineingehen? So ganz allein? Ach nee, lieber noch ein paar Schritte auf der Wühlisch. Doch nach wenigen Metern nervt das Wetter. Ich drehe um und öffne beherzt die Ladentür.

Freundlich werde ich empfangen. Mir wird ein Glas angeboten – die Auswahl ist groß. Immerhin gibt es heute Abend nicht nur eine Lesung, sondern auch etwas zu feiern, das 20jährige Jubiläum. Schon sehr besonders in Zeiten von Amazon und Co. Es entspinnt sich ein zwangloser Smalltalk über Buchläden im Allgemeinen und den neuen Bildband von Torsten Woywod „In 60 Buchhandlungen durch Europa“ im Besonderen sowie über die bevorstehende #FBM (Frankfurter Buchmesse) next week.

Ich genieße mein Gläschen Roten und nehme in der ersten Reihe in front oft the beautiful Ohrensessel Platz. Ein kleines, antikes Tischchen mit Wasserglas und prächtigem Blumenstrauß steht davor. Mein Blick schweift über die kunterbunt bestückten, alten Regale. Es ist alles dabei, von Shylock aus dem Shakespeare-Projekt über Sarah Kuttners Mängelexemplar bis zu Nischenromanen, Sonderausgaben, Bildbänden und englischer Literatur. Ein echtes System kann ich noch nicht ausmachen, aber dafür ist vielleicht später noch Zeit und Raum. Was ich bis dahin noch nicht wahrgenommen hatte, hinter mir, am anderen Ende des Ladens sind die Regale mit Kinder- und Jugendliteratur sowie das Thema Küche beheimatet. Doch was ich durchaus bereits seit dem allerersten Moment des Betretens tief und wohltuend wahrnehme, ist die komplette Abstinenz jeglichen Kitsches und Klimbim. Keine Spielsachen. Keine Give-aways. Keine Schlüsselanhänger, Kugelschreiber, Schneekugeln, Teelichter oder Stempelsets. Wow. Einzig ein paar Taschenkalender meine ich, beiseite verräumt, auszumachen.

Mir schwant allmählich, dies hier wird eine Kombi-Rezension „Laden + Lesung“. Nun, beides bildet bestenfalls eine Einheit, ansonsten nur eine Kulisse des einen für das andere. Zumindest sind beide für diesen Abend untrennbar miteinander verbunden.
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Der Raum füllt sich schnell bis auf den letzten Platz. Emma Braslavsy erscheint und macht es sich im großen grauen Ohrensessel gemütlich. Die Inhaberin, Frau Klemm, begrüßt Autorin und Gäste warmherzig und schlägt dabei gekonnt den Bogen zum Suhrkamp-Verlag, der mit einem ihrer Autoren per Lesung bereits zum 10jährigem Jubiläum vertreten war. Sie bedankt sich bei den treuen Kundinnen und Kunden, ihrem Mann, ihren Söhnen.14462928_10153952106569157_6584979026892170502_n

Und dann geht sie los, die Lesung. Emma Braslavsky erzählt von, über und liest aus ihrem aktuellen Roman „Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen“.

Gefühlvoll gibt für das Publikum verschiedene Szenen wieder, weist zu Orientierungszwecken auf die Protagonistenliste auf den ersten Seiten hin – damit niemand beim Lesen den Überblick verlöre und berichtet von einer Skizze, einer Art Mindmap auf Suhrkamp.de, die alle Handlungsstränge visuell darstellt und ebenfalls der besseren Orientierung dient.

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Aha, ein quasi interaktives Buch also. Es kommt, wie es kommen muss. Nach der Lesung bin ich angepiekst und kaufe ich spontan den grauen Schmöker, mit dem eher unscheinbaren Cover und lasse ihn prompt signieren. Dabei komme ich mit der Autorin kurz ins Gespräch über Blogger, deren Bedeutung für Verlagen und Autoren und darüber sich ja vielleicht auf der #FBM next week zu treffen.

Nun ist es an der Zeit, ich inspiziere die Regalreihen genauer, finde einige Inspirationen für xmas, genehmige mir EIN leckeres Häppchen (by the way – die sind ganz hervorragend und dem Anlass des Abends mehr als angemessen). Ich verabschiede mich zeitig von der Autorin sowie dem Inhaber-Ehepaar, muss der sympathischen Angestellten versprechen, mit meinen Messe-Eindrücken bald vorbeizukommen und werde mit herzlichen Worten in die Berliner Nacht entlassen.

Hier war ich heute zwar zum ersten, jedoch ganz sicher nicht zum letzten Mal.
Vielen Dank und alles Gute für die nächsten (mindestens) 20 Jahre.

Published inRezensionenSonstiges
et Claire